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Das Regierungsprogramm – wozu?

Mehr Werbung als Arbeitsprogramm: nicht einmal 50 Prozent der Ankündigungen von Regierungsprogrammen werden umgesetzt – ein Überblick

Ein Regierungprogramm ist eine Erzählung ohne verbindlichen Charakter. Es dient vornehmlich dazu, die jeweilige Regierung zu bewerben und ihre Sicht der Dinge darzustellen. Ein echtes Arbeitsprogramm im eigentlichen Sinn – mit konkreten Zielen, Maßnahmen und Umsetzungszeitpunkten – ist aus Regierungsprogrammen in der Regel nicht ableitbar. Die Überprüfung früherer Programme hat gezeigt, dass regelmäßig nicht einmal 50 Prozent der Ankündigungen während einer Legislaturperiode tatsächlich umgesetzt wurden.

Aus diesem Grund nutzen Regierungen – insbesondere Koalitionsregierungen – in Regierungsprogrammen häufig Codes zur Verschleierung: In den Regierungsprogrammen der Jahre 2008 und 2013 war dies etwa das Wort „Finanzierungsvorbehalt“. Es sollte zum Ausdruck bringen, dass eine Maßnahme zwar theoretisch denkbar sei, aber in der Praxis nicht kommen werde.

Schwarz-Blau hat diesen Code durch Begriffe wie „Prüfung“ oder „Evaluierung“ ersetzt: Auf diese Weise können emotional aufgeladene Maßnahmen und für die eigenen AnhängerInnen wichtige Schlagworte angesprochen werden, ohne unmittelbar zugeben zu müssen, dass die insinuierte Maßnahme in der Praxis nicht umgesetzt werden kann. So etwa bei der Ankündigung, Auslandspensionen zu evaluieren: In diesem Bereich gibt es ohne Verschlechterung für österreichische PensionsbezieherInnen keinen Handlungsspielraum der Bundesregierung. Mit der Anführung im Regierungsprogramm kann sie aber den insbesondere von FPÖ-WählerInnen gewünschten Eindruck erwecken, ganz scharf gegen AusländerInnen und Sozialmissbrauch vorzugehen.

Für die Regierungsparteien ist das ein doppelschneidiges Schwert: Einerseits wird zu Beginn einer Periode an der Erzählung eines Regierungsprogramms gemessen, welche der Parteien sich stärker durchgesetzt hat. Aus diesem Grund ist es wichtig, möglichst viele „eigene“ Themen und Schlagworte im Text unterzubringen. Andererseits ist das Regierungsprogramm auch eine allgemeine Auflistung, an der in der Folge auch der Erfolg oder Misserfolg der Regierungsarbeit festgemacht wird.

Im vorliegenden ÖVP-FPÖ- Regierungsprogramm werden „AusländerInnen“ auffällig häufig vorgeschoben, um massive Änderungen für alle Menschen zu verschleiern: Die im Bereich der Mindestsicherung skizzierten Änderungen werden dargestellt, als ob sie einzig „AusländerInnen“ träfen. Gemeinsam mit den Vorstellungen im Kapitel Arbeitsmarkt gelesen ist jedoch zu erkennen, dass die Verschärfung bei der Mindestsicherung in Zukunft alle Menschen treffen werden, die länger arbeitslos sind, weil diese mit der Zeit automatisch in der Mindestsicherung landen werden.

 

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Lukas Wurz

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