Teilzeit-Jobs sind in Österreich weiblich, schlecht bezahlt, unsicher und erlauben sehr flexiblen Zugriff der Unternehmen auf die MitarbeiterInnen, wie wir in Teil 2 unserer Serie gezeigt haben. Wenn der Schwerpunkt der Teilzeitbeschäftigung in jener Lebensphase liegt, in der Menschen üblicherweise den größten Teil ihrer Pensionsansprüche und ihres Einkommens erwerben, so deutet das auf problematische Effekte hin. Ein Vergleich mit andere Ländern, insbesondere der Schweiz, den Niederlanden und Dänemark, zeigt jedoch, dass dem nicht so sein muss. Es gibt Möglichkeiten, die Situation von Teilzeitbeschäftigten hinsichtlich des Gender-Pay-Gaps (siehe dazu hier) deutlich zu verbessern.
Teilzeit in Europa im Vergleich
Die Zahl der Menschen, die in Europa Teilzeitjobs haben, verteilt sich ungleich über den Kontinent. Während in Bulgarien nur zwei Prozent oder in Ungarn knappe fünf Prozent aller Beschäftigten Teilzeitjobs haben, arbeiten in Bulgariens Nachbarland Griechenland mit knapp zehn Prozent ein fünf mal so hoher Anteil der Beschäftigten in Teilzeit. Österreich erreicht fast den sechsfachen Anteil seines Nachbarlandes Ungarn. Unangefochtene Spitzenreiter sind die Niederlande mit 49,7% Teilzeitbeschäftigten, vor der Schweiz mit 36,9% und eben Österreich, das mit 27,8% eine Gruppe von knapp dahinterliegenden Staaten anführt, nämlich Deutschland, Dänemark, Norwegen und das Vereinigte Königreich. Es sieht fast so aus, also ob die Teilzeitquote eines Landes quasi ein Maßstab für die ökonomische und technologische Ent-
wicklung eines Landes bzw. seiner Volkswirtschaft sei. Und das ist auch nicht ganz falsch: Tatsächlich ermöglichen neue Technologien und Branchen neue Formen der Arbeitszeit. Wie es scheint, geht Teilzeit mit der Ausweitung des Dienstleistungsbereichs und technologischer Entwicklung einher. Der Wechsel von der Produktionsgesellschaft zur Dienstleistungsgesellschaft erfordert nicht mehr in vollem Ausmaß ständige Anwesenheit und eröffnet somit Möglichkeiten von Arbeitszeitverkürzung ohne Produktivitätsverlust. In Österreich – siehe wieder Teil 2 dieser Serie – hat sich diese Verkürzung der Arbeitszeit in stark unterentlohnten Teilzeitjobs realisiert. Ein Blick auf die Teilzeitquoten und die Arbeitszeiten anderer Länder zeigt jedoch auch: Diese neuen Arbeitszeitregelungen müssen nicht automatisch so nachteilig für die Menschen sein, wie es in Österreich der Fall ist.
Frauen arbeiten weit öfter in Teilzeit
Zur Untersuchung der Situation in Österreich und der Folgen des enormen Anstiegs der Teilzeitquote in den letzten zwanzig Jahren empfiehlt sich eine Analyse gemeinsam mit vergleichbaren Ländern, also etwa der Niederlande und der Schweiz mit höheren Teilzeitquoten und Deutschland und Dänemark mit etwa gleich hohen Quoten.
Die Teilzeitquote allein sagt noch nicht viel aus. Aber bereits ein erster Blick auf die Verteilung von Teilzeitjobs auf die Geschlechter zeigt erste Hinweise, an Hand welcher Fragen Teilzeitquoten zu bewerten sein könnten: Der Anteil der teilzeitbeschäftigten Frauen übersteigt jene der Männer in ganz Europa um ein Mehrfaches: oder um es deutlicher darzustellen: Der Anteil der teilzeitbeschäftigten Frauen ist in Österreich 4,5 Mal so hoch, wie jener der Männer. In Deutschland ist er fünf Mal so hoch…
Im EU-Vergleich ist das besonders hoch: In Österreich ist das Verhältnis der Geschlechter bei den Teilzeitbeschäftigten also besonders schlecht zum Nachteil der Frauen.
Im Vergleich der genannten Länder überrascht Dänemark mehrfach. Etwa, dass der allergrößte Anteil der Teilzeitbeschäftigten (gemessen an der Größe der Altersgruppe, aber auch absolut) in Dänemark unter 25 Jahren alt ist. Teilzeitbeschäftigung ist in Dänemark auf Grund bestimmter historischer Entwicklungen – Teilzeit war bis Mitte der 1990er rechtlich nicht eigens gefasst und wurde Mitte der Neunziger sowohl von Regierungen wie auch der Gewerkschaft als Phänomen besonders berücksichtigt – ein Phänomen studentischer junger Erwachsener neben dem Studium.
Altersgruppen und Teilzeit sind sehr verschieden
In Deutschland wiederum fällt die hohe Zahl von Arbeitnehmerinnen über 50 in Teilzeit auf. Und in Österreich erschreckt regelrecht, dass Teilzeitbeschäftigung in der Haupterwerbsphase so großen Raum einnimmt: Während also in Dänemark, Deutschland oder in den Niederlanden Teilzeitbeschäftigung ein Phänomen ist, das vor allem zu Beginn der Berufstätigkeit oder an deren Ende gehäuft auftritt, so scheint sie in Österreich quasi zentraler Bestandteil einer normalen Erwerbsphase zu sein. Sozialpolitisch ist das bedeutsam: Zu Beginn einer Erwerbsphase können Menschen neben einer Ausbildung erwarten, später einmal voll beschäftigt zu sein und entsprechende Ansprüche etwa für die Pension zu erwerben. Am Ende einer Erwerbsphase können Menschen Teilzeit quasi als Ausklang oder Ausgleiten aus einer Lebensphase betrachten, in der sie entsprechende Pensionsansprüche bereits erworben haben. Aber wenn der Schwerpunkt der Teilzeitbeschäftigung in jener Lebensphase liegt, in der Menschen üblicherweise den größten Teil ihrer Pensionsansprüche und ihres Einkommens erwerben, so deutet das auf problematische Effekte hin.
In Dänemark, aber auch in den Niederlanden mit einem de facto gesetzlichen Höchstlohn für Menschen unter 25 Jahren (für Menschen bis 25 sind geringere Niedriglöhne gesetzlich festgeschrieben, die so gut wie nicht überschritten werden), sind die Teilzeiteinkommen für junge Menschen vergleichsweise niedrig, steigen aber mit dem Lebensalter stark an. Das ist zwar für junge Menschen in diesen Ländern, die neben der Ausbildung dazuverdienen möchten, sehr unangenehm, zeigt aber auch, dass Teilzeit nach Ende der Ausbildung deutlich besser bezahlt ist, als in Österreich oder in Deutschland.
Qualifikationsniveau und Teilzeit
Eine Erklärung dafür findet sich auch in den Tätigkeiten, die weibliche Teilzeitbeschäftigte in den untersuchten Ländern ausüben. Während etwa 50% der weiblichen Teilzeitbeschäftigten in der Schweiz in hochqualifizierten Jobs tätig sind, sind 50% der Teilzeitbeschäftigten in Österreich Bürokräfte oder VerkäuferInnen. Dazu kommen noch 15% HilfsarbeiterInnen. Oder anders gesagt: Während in der Schweiz Teilzeitbeschäftigung für Frauen auch in Führungspositionen und bei AkademikerInnen und TechnikerInnen mit entsprechend höherem Einkommen möglich ist, finden sich Teilzeitjobs in Österreich und in Deutschland stärker in schlechter bezahlten Berufsfeldern.
Ergebnis des Vergleichs: Frauen in Österreich haben in allen Dimensionen schlechtere Karten
Der vergleichende Befund mit anderen Ländern zeigt also, dass Österreich in mehr oder minder allen untersuchten Parametern zu den am schlechtesten abschneidenden Ländern zählt. Gemeinsam mit Deutschland ist Teilzeit in Österreich besonders stark in wenig qualifizierten Jobfeldern verbreitet. Das muss aber nicht so sein, wie die Schweiz zeigt. Dänemark und die Niederlande wiederum haben es geschafft, Teilzeit für Menschen über 25 so zu gestalten, dass Löhne herauskommen, von denen Menschen leben können. Österreich und Deutschland hinken da weit hinterher. Besonders schlecht steigt Österreich bei der altersmäßigen Verteilung aus: Die größte Gruppe der Teilzeitbeschäftigten geht ihrem Job im Haupterwerbsalter zwischen 25 und 49 Jahren nach.
Österreich hat von allen verglichenen Ländern den kleinsten Anteil an weiblichen Teilzeitbeschäftigten in hochqualifizierten Tätigkeiten (und zwar obwohl die Menschen selbst genauso qualifiziert sind, wie in Vollzeitbeschäftigungen, wie in Teil eins zu sehen war) sowie den höchsten Anteil an einer Gruppe aus Verkäuferinnen und Hilfsarbeiterinnen. 62% aller teilzeitbeschäftigten Frauen sind entweder VerkäuferInnen, Bürokräfte oder Hilfsarbeiterinnen und arbeiten somit in Branchen mit besonders niedriger Bezahlung. Andere Länder konnten offenkundig Rahmenbedingungen für Teilzeitbeschäftigung schaffen, Wdie nicht vor allem in Niedriglohnsektoren attraktiv sind.
Im Vergleich zu Österreich auffallend besser positioniert sind jedenfalls die Schweiz und die Niederlande hinsichtlich der Teilzeitbeschäftigung in Jobs für sehr qualifizierte Menschen sowie die Schweiz, die Niederlande und Dänemark hinsichtlich der Einkommensentwicklung in Teilzeitjobs.
Dänemark ist jedenfalls weit besser in der Lage, Teilzeitjobs auf beide Geschlechter sowie über alle Altersgruppen zu verteilen.
Dass die Teilzeitfalle grundsätzlich Frauen trifft und diese faktisch auch dequalifiziert oder jedenfalls deutlich unter ihrer Kompetenz beschäftigt werden, ist also kein Naturgesetz.
Diese Länder kennen auch spezifische Maßnahmen, mit denen sie die Teilzeitfalle zu bekämpfen versuchen: In Dänemark etwa werden Regelungen hinsichtlich Stundenausmaß und Entlohnung von Teilzeitbeschäftigten in Kollektivverträgen festgeschrieben. Der Baubereich hat etwa bereits auf Seite zwei des Kollektivvertrags festgelegt, dass es keine Teilzeitjobs in der Branche geben darf. Andere Kollektivverträge wiederum haben einen Rechtsanspruch auf Vollzeitbeschäftigung für die MitarbeiterInnen verankert. Jede Form der Teilzeitbeschäftigung kann jedenfalls nur auf Basis von Kollektivverträgen ausgeübt werden, die wiederum in betrieblichen Vereinbarungen spezifiziert, aber nicht unterlaufen werden können.
Die Niederlande kennen steuerliche Vergünstigungen für die Reduktion von Arbeitszeiten in Partnerschaften. Außerdem liegt die Vollzeit-Arbeitszeit in beiden Ländern deutlich (um mehr als 10%) unter der faktischen Vollzeitarbeitszeit in Österreich, was erhebliche Auswirkungen auf die Löhne der Teilzeitbeschäftigten hat, weil die Löhne in Relation zu Vollzeitjobs bewertet werden.
Und nicht unerwähnt bleiben darf, dass Löhne in Dänemark auf Grund kollektivvertraglicher Regelungen weitgehend für alle MitarbeiterInnen transparent sind.
Lösungsansätze für Österreich?
Als Maßnahmen zur Verbesserung der Situation von Teilzeitbeschäftigten bietet sich also einiges an.
Lohntransparenz ist eine Grundbedingung zur Bekämpfung von Diskriminierung bei Löhnen, weil sie die einzige Möglichkeit schafft, Diskriminierung und Unterentlohnung sichtbar zu machen. Erste Schritte zur Erreichung von Einkommenstransparenz in österreichischen Betrieben sind jedoch bisher nicht weitreichend genug, da sie einerseits nur Betriebe mit zumindest 150 Beschäftigten verpflichten (und damit mehr als 2/3 der Beschäftigten nicht erreichen) und andererseits durch Geheimhaltungsverpflichtungen ad absurdum geführt werden.
Zur Herstellung von Einkommenstransparenz und Bekämpfung von Diskriminierung könnte sich die Überprüfung der Lohnhöhen nach dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz eignen. Dazu müssten aber die PrüferInnen einen gesetzlichen Auftrag erhalten, den sie derzeit nicht haben.
Schaffung eines effektiven gesetzlichen Schutzes gegen Lohndiskriminierung bei Teilzeit. Die Schutzregelung gegen Diskriminierung bei Teilzeit in § 19d AZG ist sehr allgemein gehalten und wirkt allenfalls gegen nicht zuerkannte Zulagen. Diese Bestimmung kann durch klarere Formulierung auch in Zusammenhang mit Lohnhöhen, Einstufungen und Beschäftigungsbereiche besser gestaltet werden.
Schaffung ausreichender und qualitativ hochwertiger Betreuungseinrichtungen und Betreuungsangebote für Kinder sowie für betreuungsbedürftige Menschen.
Regelung von Rahmenbedingungen für Teilzeit in Kollektivverträgen. In Dänemark werden die Rahmenbedingungen für Teilzeit sehr genau in Kollektivverträgen vereinbart. Dies umfasst z.B. den Höchstanteil an Teilzeitbeschäftigten in verschiedenen Tätigkeitsbereichen (eines Unternehmens), die Entlohnung (etwa in Form von Mindestlöhnen, unter denen keine Teilzeit möglich ist), aber auch Mindeststundenanzahl, die bei Teilzeit nicht unterschritten werden darf. Diese Regelungen führen in der Praxis dazu, dass Teilzeitbeschäftigte in Hilfsarbeitsfunktionen höhere Stundenlöhne erhalten, als sie bei Vollzeit erhalten würden (siehe dazu die Ausführungen zum Vorteil der Flexibilität von Teilzeitbeschäftigten in Teil eins). Gleichzeitig machen Sie Teilzeitjobs auch in sehr qualifizierten Bereichen attraktiv.
Rechtsanspruch der ArbeitnehmerInnen auf Vollzeit. Wenn ArbeitnehmerInnen es in der Hand haben, einen Vollzeitjob einzufordern, kann jedenfalls mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass sie unfreiwillig in Teilzeit sind. Derartige Regelungen können etwa mit einer Frist – z.B. von sechs oder zwölf Monaten – versehen werden.
Arbeitszeitverkürzung ist das effektivste Mittel gegen Niedriglöhne in Teilzeitjobs. Mit der Senkung der Wochenarbeitszeit erhöht sich das Gewicht jeder Teilzeitstunde und die billige Flexibilität von Teilzeit für Unternehmen wird reduziert.
Anhebung der Zuschläge für Mehrstunden in Teilzeitjobs auf zumindest 50%.
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