Die IrInnen haben sich selbst eine starke Klimapolitik gegeben und investieren künftig nicht mehr in erdölbasierte Industrien.
Irlands Parlament hat im Sommer beschlossen, die Gelder aus dem irischen Staatsfond aus erdölbasierten Industrien mit sofortiger Wirkung abzuziehen. Damit ist es das erste europäische Land, das einen solchen radikalen Schritt wählt. Zwar hat Norwegen mit seinem Staatsfonds bereits Mitte der 10er-Jahre einen Ausstieg aus der Kohle- und Erdöl-Industrie beschlossen, aber die Strategie des nördlichen Nachbarlandes ist schrittweise angelegt.
Divestment quer über den Globus
Die ökologisch motivierte Bewegung, die sich dieses Prinzip zu Eigen macht – keine Gelder mehr in klimaschädliche Industrien anlegen – nennt sich Divestment und erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Viele Stadtverwaltungen (darunter Städte wie Freiburg, New York oder auch Sydney) haben in den letzten Jahren diesen Schritt gewagt; Kirchen, Versicherungen und jüngst auch zum ersten Mal ein ganzer Staat sind dem Beispiel gefolgt. Irland ist ein besonders interessantes Beispiel, denn der nordeuropäische Inselstaat hatte sich bis vor kurzem nicht als Vorreiter in Sachen Umweltschutz hervorgetan – im Gegenteil: er konnte die aus internationalen Vereinbarungen erwachsenen Verpflichtungen zur CO2-Reduktion bisher nicht erfüllen.
Doch in den letzten Jahren ist ein demokratischer Rutsch durch die Bevölkerung Irlands gegangen und damit auch durch die politischen Repräsentanten in der Minderheitsregierung Irlands. Ein Grund für den neuen Mut und die Bereitschaft, sich den drängenden Fragen unserer Zeit endlich auch regulatorisch zu stellen, sind die BürgerInnenräte, die in Irland seit 2012 die politische Debatte mitaufbereiten (reflektive berichtete).
Dieses Forum, in dem 99 mehrheitlich repräsentativ ausgewählte IrInnen über einen längeren Zeitraum diskutieren, hat die Kraft, politische Pattstellungen, von denen es in repräsentativen Demokratien besonders viele gibt, aufzubrechen und einer konstruktiven Lösung zuzuführen. So geschehen etwa bei der Frage der rechtlichen Gleichstellung von homosexuellen Paaren, beim Richtungsstreit über die irische Verfassung in Bezug auf das Abtreibungsverbot und nun auch in Sachen Klimawandel.
Befragung der BürgerInnen
Die bisher letzte Konversation über den Klimawandel hat dabei deutlich anders funktioniert als die vorherigen: im Vorfeld des Bürgerrates wurden die irischen BürgerInnen über Zeitungsinserate aufgefordert, jene politischen Bereiche, bei denen sie den dringendsten Handlungsbedarf in Sachen Klimawandel sehen, einzusenden. Anschließend wurden die Vorschläge analysiert und dem BürgerInnenrat übermittelt. Der Rat hatte in seinen Debatten Antworten auf die Frage zu finden, wie der Staat „Irland zu einem Vorreiter in der Bewältigung des Klimawandels“ machen könne.
„How the state can make Ireland a leader in tackling Climate Change?“ Eine kluge Fragestellung. Die IrInnen diskutierten darüber mehrere Wochen und abschließend wurde über die Empfehlungen abgestimmt. Für insgesamt 13 Empfehlungen gab es herausragende Mehrheiten, darunter die Bereitschaft der BürgerInnen, für Klimaschutz mehr Steuern zu bezahlen und die Aufforderung mehr Geld in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs zu stecken (siehe Abschlussbericht der Citizens Assembly)
Wertewandel in der politischen Klasse
Die Aufforderung, den Ireland Strategic Investment Fund aus der Finanzierung von erdölbasierten Industrien abzuziehen, war zwar nicht dabei, doch UmweltaktivistInnen in Irland schätzen den Beitrag des Bürgerrats zum Thema Klimaschutz für die Beschlussfassung im Parlament als hoch ein. Die andauernde öffentliche Debatte über das Thema im BürgerInnenrat und in den Medien hätte den Weg geebnet für einen tiefergehenden Wertewandel in der politischen Klasse, so Lorna Gold von der irischen katholischen Entwicklungsorganisation „Trocaire“. Viele NGOs und Vereine, aber auch die katholische Kirche unterstützten die Initiative – allen voran stand jedoch der unabhängige Abgeordnete Thomas Pringle, der den Antrag nach mehreren verheerenden Wettereignissen in seiner Wahlgemeinde ins irische Parlament eingebracht hatte.
Finanzielle Risiken
Auch in Österreich häufen sich starke, zerstörerische Wettereignisse. Zum Risiko, in Zeiten einer erstarkenden Klimapolitik in Unternehmen mit fossilen Reserven zu investieren (bzw. Anteile zu halten), gibt es jedoch kaum Bewusstsein. Die Grünen erstellten im Jahr 2015 eine Studie zum Thema Divestment in Österreich und kamen zu der Einschätzung, dass rund 30 Milliarden Euro des österreichischen Kapitalmarktes (also sowohl privater als auch öffentlicher Anleger) an fossile Reserven gebunden sind. Sollte in Zukunft der Großteil der fossilen Reserven ungenutzt bleiben (KlimaschützerInnen fordern, dass 80 Prozent der noch bestehenden Fossil-Brennstoffe in der Erde bleiben, damit das 2 Grad Erderwärmungs-Ziel erreicht werden kann), droht den in diesem Bereich aktiven Unternehmen ein massiver Wertverlust.
Österreich hat dieser Tage angekündigt, mit einem eigenen Staatsfonds (nach norwegischem Vorbild) künftig in private Unternehmen investieren zu wollen. Über Divestment ist in der Strategie bisher nichts zu lesen sondern über gewinnbringende Investition in High-Tech-Unternehmen. Was hierzulande leider fehlt, ist eine einschlägig informierte Öffentlichkeit, die Druck auf die EntscheidungsträgerInnen ausüben könnte, in dieser Richtung aktiv zu werden.