Unter Schwarz-Blau 1 sprach irgendein Pensionsgott zu Wolfgang Schüssel und diktierte ihm einen „Pensionsfinanzierungspfad“, der auf alle Ewigkeit Gültigkeit haben sollte. Diese göttliche Schrift verteidigt die ÖVP mit einer gehörigen Portion fundamentalistischen Eifers…
Unter Schwarz-Blau 1 sprach irgendein Pensionsgott zu Wolfgang Schüssel und diktierte ihm einen „Pensionsfinanzierungspfad“, der auf alle Ewigkeit Gültigkeit haben sollte. Und diesen Pensionspfad haben ÖVP und FPÖ im Jahr 2003 in den sogenannten Anlagen 12 und 13 zum ASVG festschreiben lassen. Darin sind Eckpunkte wie etwa die Entwicklung der Bevölkerung, der Anteil von Menschen über 65 Jahren, die Entwicklung der Inflation oder auch der Produktivität festgeschrieben. In § 108e ASVG wurde bestimmt, dass bei jeder Abweichung von diesen Zahlen im Ausmaß von mehr als 3% eine Kommission zusammentreten und ausrechnen müsse, wie der aus den Abweichungen resultierende Mehraufwand bis zum Jahr 2060 auf den Wert eines gezahlten Pensionsbeitragseuros im Pensionskonto (derzeit 1,78%), auf die jährlichen Pensionserhöhungen, das Pensionsantrittsalter (derzeit 60/65), den Beitragsatz zur Pensionsversicherung (derzeit 22,8% für ArbeitnehmerInnen) aufgeteilt werden soll.
Die pensionsgöttliche Eingebung des Wolfgang Schüssel war schon im Jahr 2003 technisch fehlerhaft und nicht eindeutig oder gar selbsterläuternd: Es ist eben nicht so, dass sich die Entwicklung eines komplexen Systems auf fünf Jahrzehnte im Voraus festlegen lässt. Inzwischen sind 15 Jahre ins Land gezogen und die Welt hat sich verändert: Aktuelle Bevölkerungsprognosen für 2050 liegen um etwa eine Million Menschen höher als im Jahr 2003. Die Erwerbsquoten sind viel stärker gestiegen, als vorhergesehen. Noch nie in der Geschichte waren so viele Menschen erwerbstätig. Auch die Produktivität der ArbeitnehmerInnen pro Arbeitsstunde ist stark angestiegen ebenso wie das Pensionsantrittsalter, und, und, und… und vor allem gab es eine Weltwirtschaftskrise. Kurz: Die in den ASVG-Anlagen 12 und 13 angeführten Werte sind sinn- und aussagelos.
Nicht jedoch für die ÖVP, die sich in eine Art Pensions-Salafismus flüchtet. Sie versteift sich darauf, dass die inzwischen logischerweise eingetretenen Abweichungen vom gottdiktierten Schüssel-Pfad – derzeit in etwa ein Prozentpunkt des BIP und somit knapp Euro 3,5 Milliarden im Jahr – durch Pensionskürzungen auf verschiedenen Ebenen korrigiert werden sollen, also quasi die Realität an den Plan angepasst werden muss und nicht umgekehrt.
3,5 Milliarden Euro sind in etwa 8% der Mittel, die jährlich für alle Pensionssysteme zusammen aufgewandt werden. Nach Lesart der ÖVP steigt diese Abweichung bis 2050 auf knapp 2% des BIP, nach heutigen Wert also etwa 7 Milliarden Euro. Wie genau diese angeblichen Abweichungen auf das Pensionssystem umgelegt werden sollen, ist nicht klar, zumal auch Prognosen nur Annahmen wiedergeben. Laut Bevölkerungsprognose 2013 weicht der Anstieg der Lebenserwartung von jener im Schüsselpfad im Jahr 2016 um 3,1% ab. Tatsächlich aber blieb die Lebenserwartung von Männern und Frauen seit 2014 recht stabil und sank sogar minimal ab.
Zusammengefasst: Ein „Nachhaltigkeitsmechanismus“ ist ebenso wie der Schüssel-Pfad des Jahres 2003 selbst eine reine Ideologiefrage und wissenschaftlicher Nonsense. Es gibt derzeit absolut keinen Grund, Angst vor der Entwicklung der Kosten im Pensionssystem zu haben. Wer dennoch Kosten reduzieren will, macht das aus anderen Gründen, aber nicht, um das Pensionssystem zu sichern.