Die jugendlichen Klimaproteste erreichen mit etwas Verspätung auch Österreich. Jeden Freitag, beim Weltklima-Tag am 15.3. und am 5. April sollten nun endlich auch die älteren Linken Position beziehen.
Wenn Frauen im 19. Jahrhundert, in den 1910ern oder auch in den 1960ern auf ihre Situation im Patriarchat aufmerksam machten, hieß es von den männlichen Genossen nicht selten: „Wartet nur ab, bis wir den Kapitalismus abgeschafft haben, dann geht es auch den Frauen gut. Vorerst brauchen wir euren Kampf aber nicht extra zu unterstützen, das lenkt nur ab.“
Klima als Seitengasse des Nebenwiderspruchs?
An diesen alten Streit von Haupt- und Nebenwiderspruch hat der Diskurs in den letzten Jahren zum Thema Klimakatastrophe erinnert: Wurden von AktivistInnen bislang Umweltthemen artikuliert, war in Diskussionen unter Linken schnell klar, dass es deutlich „wichtigere“ Themen, wie die Abschaffung des Kapitalismus, die Befreiung der Lohnabhängigen, die Bekämpfung von Armut lokal wie global oder auch die Anerkennung von Ausgegrenzten, zu bearbeiten gäbe, bevor mensch sich ernsthaft über die Begrenzung des Flugverkehrs („bevormundend“) oder eine ökologische Agrarwende („Bio-Snob“) unterhalten hätte können.
Lange Zeit fristete das Klimathema ein Schattendasein (ähnlich dem Frauenthema im 20. Jahrhundert), ja wurde sogar als „Luxus-Problem“ oder satirisch als „Klassenkampf von oben“ bezeichnet. Natürlich, da wurde etwas weggelästert und weggelächelt, auf das niemand leichte Antworten findet. Es war klar, wenn mensch das Klimathema ernst nimmt, bleibt unser aller Leben nicht mehr so wie es ist, und alle unsere Annahmen über Klassen, Emanzipation, Kultur und Ökonomie müssen einen neuen Anker finden.
Versagen der Erwachsenen
Heute wissen wir: die Linken Erwachsenen sind bei dieser Diskussion leider nicht in die Gänge gekommen. Das mussten schon Jugendliche und Kinder für sie erledigen. Seit ein paar Monaten zeigt sich im Rahmen der “Fridays for Future”-Bewegung, dass Klimawandel und die Erstarrung der Politik von jungen Menschen nicht mehr hingenommen wird und dass sie sogar bereit sind, vergleichsweise radikale Schritte zu setzen, um sich Gehör zu verschaffen. Immerhin ist es unter den Vorzeichen einer durchökonomisierten Selbsterschöpfungsgesellschaft nicht ohne, den eigenen minutiös geplanten Bildungspfad zu durchkreuzen oder ihn sogar zu gefährden, um kollektiv etwas in Bewegung zu setzen. Die Protestform an sich zeigt bereits, dass die jüngere Generation vielfach genug hat von Vereinzelung und strengster Kosten-Nutzen-Rechnung – auch in Bezug auf das eigene Leben.
Was die Jungen wollen
Doch um was geht es den AktivistInnen von Fridays for future konkret? Laut ihrer Homepage fordern sie den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen, was auch den Stopp fossiler Großprojekte wie die geplante 3. Piste am Flughafen Wien sowie den geplanten Lobau-Tunnel miteinbezieht. Es geht um den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, um eine ehrliche Kommunikation der Politik mit der Bevölkerung über die Schwere des Problems aber auch darum, Menschen, die ihren Job auf dem Weg zu einer sozial-ökologischen Wende verlieren, nicht zurückzulassen und sie zu unterstützen. Über allem thront die Forderung nach einer Umweltpolitik, die das 1,5 Grad Erderwärmungs-Ziel möglich macht.
Diese Forderungen sind schon sehr konkret, jedenfalls viel konkreter, als all das, was etablierte Parteien in den letzten Jahren zum Thema Klimapolitik zu sagen hatten. Und sie machen klar, dass der Ressourcenverbrauch in der globalisierten Ökonomie alles deutlich übersteigt, was diese Erde verkraften kann.
Warum es die Alten nicht schaffen
Der Forderungskatalog nimmt damit auch die kapitalistische Wachstumslogik ins Visier, den viel zitierten „Elefanten im Raum“, wenn es um Klimapolitik geht. Letzteres ist ja der Grund, warum die großen, derzeit mehrheitlich in Europa regierenden Wirtschaftsparteien niemals die Fähigkeit besitzen werden, in Sachen Klimaschutz mutig voranzugehen. Sie würden damit gegen ihre eigene DNA verstoßen und hätten keine Grundlage mehr für ihre ideologische Ausrichtung.
Auch die sozialdemokratischen Parteien tun sich schwer, Industrien anzugreifen, die Arbeitsplätze schaffen. Denn Arbeit, so die Sozialdemokratie, „Lohnarbeit“ braucht der Mensch, um Mensch zu sein. Und dann werden eben schmutzige Industrien weiter unterstützt und hofiert, auch wenn sie die Sozialdemokratie schon so oft mit grundlosen Massenentlassungen oder auch Steuerflucht gedemütigt haben. Die Sozialdemokratie hält zur Industrie.
Ultrarechte Parteien sind oftmals KlimawandelleugnerInnen, weil sie die Komplexität des Problems intellektuell überfordert und – was wohl der ausschlaggebende Grund ist – ihre WählerInnen sie ja dafür wählen, damit sie aus der Verantwortung genommen werden.
Bleiben noch die Grünen Parteien: Sie sind in Europa – mit Ausnahmen – derzeit so schwach aufgestellt, dass sie die politische Neuorientierung allein niemals stemmen können.
It’s the youth, stupid!
Die nächsten Gelegenheiten zum Protestieren sind:
- 15. März Weltweiter Klimastreik auch in Wien
- 5. April: Klimaprotest: Zukunft für Alle – Alle für die Zukunft! (17 Uhr, Christian-Broda-Platz, Wien)